Mittwoch, 3. November 2010
Förändringar...
Seit 119 Tagen ist das Blog über meine Erlebnisse hier in Schweden nun online und ich habe es einer kleinen Layoutveränderung unterzogen. Die Lesbarkeit ist durch den Blocksatz angenehmer und die Breite der Textfläche ermöglicht es, größere Bilder hochzuladen. Das Bild in der Kopfzeile ist von der Wandertour nach Lappland, ich kann mich an den Fotos einfach nicht satt sehen. Mehr Bilder gibt es erstmal nicht, da ich in der letzten Woche dank Erkältung, home exam und Essay nicht allzu viel Zeit hatte. Am Freitag fliege ich nach Norwegen, danach gibt es hoffentlich wieder mehr zu berichten. Ansonten hoffe ich weiterhin, dass meine Berichte hier einen ganz guten Eindruck davon vermitteln, wie es mir hier so ergeht. Jeder abgegebene Kommentar freut mich und bestärkt mich darin, hier meine Erlebnisse niederzuschreiben.

Viele Grüße aus Uppsala, wo es nach der Zeitumstellung wirklich grauenhaft dunkel geworden ist.



Donnerstag, 28. Oktober 2010
Zwischenfazit
Fast genau drei Monate bin ich nun in Schweden und es ist somit Zeit für einen kleinen Zwischenbericht. Hätte mich nicht eine Erkältung in den letzten Tagen dahingerafft, dann wäre der Bericht pünktlich erschienen, so sind es also schon mehr als drei Monate und das "Bergfest" liegt leider auch schon etwas zurück.

Portrait

Drei Monate in denen ich niemanden gesiezt habe, nicht gesiezt worden bin und alle Professoren mit "Du" und Vornamen angeredet habe. Seltsame Erfahrung und im ersten Moment sehr gewöhnungsbedürftig - man fühlt sich ständig wie bei IKEA. Drei Monate ohne eine Sekunde Fernsehen (von Fußball im Pub abgesehen) und ohne nennenswerte Entzugserscheinungen. Drei Monate ohne vernünftiges Brot (Knäckebrot und Weißbrot mit der Konsistenz eines Schwammes sind auf Dauer nicht zufriedenstellend) und Bratwurst - hätte nicht gedacht, dass ich sowas vermissen würde, aber ich freue mich ungemein auf eine Bratwurst auf dem Weihnachtsmarkt.

Boot

Fahrrad

Drei Monate in denen mir mehrfach gesagt wurde, sehr "deutsch" auszusehen und mich sehr "deutsch" zu verhalten, was im ersten Moment zugegeben immer ein gewisses Unbehagen ausgelöst hat. Von meiner schwedischen Mitbewohnerin wurde ich beispielsweise mehrfach ausgelacht, als ich das Knäckebrot, das hier in großen Scheiben zu kaufen ist, in gleichgroße Stücke geschnitten habe anstatt es einfach zu brechen. Auch als ich mich beim gemeinsamen Korridor-Essen genau an das Rezept hielt, war das Anlass, mich als typisch "deutsch" zu bezeichnen. Wenn das, zusammen mit Pünktlichkeit, Assoziationen für "typisch deutsch" sind - dann bitte. Ansonsten haben mich mein Aussehen und mein Vorname nur allzu oft davor bewahrt, sofort als Ausländer erkannt zu werden - nach dem Weg fragende Asiaten in der Fußgängerzone waren da keine Seltenheit.

International Gasque

Es sind drei Monate vergangen, in denen mehr passiert ist als ich es mir je hätte vorgestellt. Ich habe unglaublich viele Studenten aus unterschiedlichsten Ländern kennengelernt, was gar nicht so einfach ist, da die Mehrzahl der Austauschstudenten aus Deutschland kommt. Mein Englisch ist wesentlich besser als vor Abfahrt, Essays auf Englisch zu verfassen geht langsam auch ganz gut von der Hand. Wer weiß, wo sich das nochmal als nützlich erweisen wird. Ein paar holperige Sätze Schwedisch bekomme ich bereits auf die Reihe - der Sprachkurs war also nicht ganz vergebens. Ein paar grauenhaft holperige Sätze mit der schon erwähnten Mitbewohnerin endeten jedes Mal sehr peinlich als sie mir im perfekten Deutsch antwortete. Darüber hinaus habe ich - es klingt nach Erasmus-Werbebroschüre, ich weiß - meinen Horizont wesentlich erweitert. Wenn man an einem Ort aufwächst und dort länger lebt, dann ist das Verlangen, Neues zu entdecken häufig nicht mehr allzu groß, auch wenn dies in nächster Umgebung liegt. Beispiel: Kaum jemand, den ich kenne war schon einmal auf dem Münchener Oktoberfest - ich kenne mittlerweile mehr Kanadier und Amerikaner, die schon dort waren und nicht verstehen, warum die meisten Deutschen dort noch nicht waren. Auf der anderen Seite war keiner der Schweden, die ich hier kennengelernt habe, schon einmal in Lappland, was wiederum ich nicht verstehen kann (siehe Bilder von der Lappland-Wanderung). Insofern sollte man Acht geben, die Erlebnisse und Möglichkeiten, die auch die eigene Umgebung zu bieten hat, nicht aus den Augen zu verlieren. Ich hoffe diese Einstellung über den Aufenthalt in Schweden beibehalten zu können und endlich auch einmal in Deutschland mehr zu unternehmen - die Hannoveraner können sich schonmal auf einiges gefasst machen.

Lappland 16

Daniel Craig

Oben zu sehen ist Daniel Craig bei Dreharbeiten zu "The Girl with the Dragon Tattoo" oder "Verblendung" oder "Män som hatar kvinnor" nach der Romanvorlage von Stieg Larsson. Der Film wird neu gedreht, unter anderem in Uppsala.

Drei Monate in einem Land, das Deutschland in vielem so ähnlich ist und doch sehr viele Eigenheiten zu bieten hat. Ein Land, das bis zum Zweiten Weltkrieg auf das engste mit Deutschland verbunden war - in Kultur, Wissenschaft und Mentalität. Selbst in Zeiten als Hitlers Armeen sich bereits daran gemacht hatten Europa mit Krieg zu überziehen fanden sich immer noch Personen, die an der generationenübergreifenden Solidarität mit Deutschland festhielten und noch die Ideale deutscher Sozialgesetzgebung und Wissenschaft beschworen.

Tyska kyrkan

Wappen

Das ist heute lange her und kaum jemand der nicht historisch gebildet ist weiß noch, dass es die Hanse war die Schweden den wirtschaftlichen Aufschwung beschwerte, dass es deutsche Handwerker und Kaufleute waren die Stockholm erbauten und dass ein Großteil der schwedischen Sprache und Kultur auf deutsche Einflüsse zurückzuführen ist. Drei Monate in einem Land, das bei genauerem Hinsehen hin und wieder doch nicht so ideal und perfekt erscheint, wie es manchmal angenommen wird. 90 Jahre sozialdemokratische Regierung haben dem Land nicht nur wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Krieg beschert und das Land zeitweise zum wohlhabendsten der Welt gemacht. Sie haben auch zu Tendenzen geführt, die nicht wirklich demokratisch anmuten sondern dem Arsenal kommunistischer Despotien enstammen könnten. Das beginnt bei der gesetzlich verordneten Ersetzung der Höflichkeitsform in der Anrede durch das "Du" in Verbindung mit dem Vornamen und hört bei staatlich verordneten Zwangslohnangleichungen auf. Bestrebungen wie die letztere konnten zwar nicht durchgesetzt werden, geben aber ein gutes Bild von der langjährigen sozialdemokratischen Bestrebung, in Schweden ein einheitliches "Volksheim" zu schaffen und jegliche Klassenschranken einzureißen. Auch vor tiefsten Eingriffen in das Leben der Bürger und deren Selbstbestimmungsrechte schreckte man gerade in den 30er und dann in den 60er und 70er Jahren nicht zurück. Solche Dinge gehören ganz einfach auch zur Geschichte Schwedens; ebenso wie die Eugenik-Programme bis weit in die 1970er Jahre hinein und die moralisch durchaus fragwürdige Autonomie während des Zweiten Weltkrieges. Sie sollten keineswegs die Wertschätzung für das Land heute trüben, gehören aber ebenso zur schwedischen Identität, wie die Vorfälle des zwanzigsten Jahunderts zur deutschen.

Obelisk

Reccegasque 8

Über drei Monate sind vergangen, nicht mehr ganz zwei folgen noch, bevor ich für Weihnachten zurückfliege um dann für ein sicherlich denkwürdiges Silvester wieder nach Stockholm zu fliegen. Genug Zeit also für ein paar letzte Ausflüge in diesem großartigen Land oder darüber hinaus. Einige Gasques werden noch folgen, die Vorweihnachtszeit mit dem Luciadagen und vielleicht lässt sich ja auch irgendwann noch mal ein Elch blicken, man wird sehn...



Samstag, 16. Oktober 2010
Herbst in Uppsala
Da schreibe ich gerade einen kleinen Blog-Eintrag über den Herbst in Uppsala, der wirklich sehr schön, kalt und überaus farbenfroh ist, da nimmt mir das Wetter buchstäblich das Heft aus der Hand. Es ist Mitte Oktober, die Temperaturen sinken in der Nacht schon bis -5°C ab und - es fällt der erste Schnee. Zwar nur wenig und die Flocken schmelzen sofort wieder, aber der anbrechende Winter verschafft sich langsam Gehör. In Schweden soll es übrigens einer der härtesten Winter der letzten zwanzig Jahre werden, man darf also gespannt sein. Meine Mitbewohnerin ist Skilehrerin, mich würde es also nicht wundern, wenn ich in ein paar Wochen Skifahren werde oder mir auf gefrorenen Seen dank nicht vorhandener Schlittschuh-Erfahrung arge Blessuren zuziehen werde.

Herbst 1

Herbst 2

Viele Schweden hassen den Winter und blicken mit wenig Sympathie auf eine Zeit mit viel Kälte, Schnee und Dunkelheit. Darin liegt es auch begründet, dass hier Frühling und Sommer in vollen Zügen genutzt und jede freie Minute im Freien verbracht wird. Das bereits beschriebene "Kräftskiva" ist nur ein Beispiel dafür, auch ansonsten gibt es viele Feste und Feiertage, die sich dem Sommer, der Natur und dem Licht widmen, also alles Dinge, auf die in langen Monaten verzichtet werden muss. Aber dennoch kann man diese Zeit doch gut
überstehen, wenn man, laut meiner schwedischen Mitbewohnerin, den Schnee einfach zu wissen weiß und die wenigen hellen Stunden des Tages mit beschriebenen Aktivitäten füllt.

Herbst 3

Herbst 4

Es ist Mitte Oktober, seit über zwölf Wochen bin ich jetzt hier in Uppsala und der Herbst hat unübersehbar den Sommer abgelöst. Ich bin wirklich unglaublich froh, im August den
Sprachkurs gemacht zu haben. So habe ich noch ein paar Wochen Sommer in Uppsala genießen können, mit Fahrten zum See, Volleyball mit anschließendem Grillen und einigen
unangenehmen Sonnenbränden. Dadurch habe ich nicht, wie viele Kommilitonen, die erst später angekommen sind, das Gefühl etwas verpasst zu haben, weil sich die Temperaturen
von Anfang an im einstelligen Bereich bewegten.

Herbst 6

Herbst 5

Mal schauen, was der Winter noch so für Erlebnisse bereithält. Wenn es Anfang Oktober noch möglich war, in Lappland zu Wandern, dann bin ich da durchaus optimistisch. Berichte darüber weiterhin hier im Blog.



Donnerstag, 7. Oktober 2010
Wandern in Lappland
Ich muss gestehen, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie auch nur einen Gedanken daran verschwendet habe, einmal Wandern zu gehen. Im Gegenteil, Outdooraktivitäten habe ich bisher immer eher als Therapie für dem Fitnesswahn verfallene und dauerhaft gestresste Großstädter abgetan. In den Städten liegt die Kultur, die man sich auf Reisen anschauen sollte, die Natur drumherum ist höchstes nettes Beiwerk, so meine bisherige Auffassung. Nun hat aber der Aufenthalt hier in Schweden schon das ein oder andere Mal Seiten in mir zu Tage befördert, derer ich mir überhaupt nicht bewusst war. Daher passt es auch ins Bild, dass ich letztes Wochenende auch die oben beschriebene Denkweise abgelegt habe und mich kurz entschlossen und mal wieder sehr spontan in eine Sache gestürzt habe, die noch vor einiger Zeit überhaupt nicht in meine Vorstellungswelt gepasst hätte. Wandern in Lappland, in einer Zeit, in der die Saison längst vorbei ist, alle Touristeninformationen bereits geschlossen haben; in ein Gebiet Schwedens für das im Reiseführer eine "expeditionsartige Vorbereitung" empfohlen wird. Vier Tage vor Abflug nach Kiruna habe ich mir dann Wanderschuhe gekauft und schon die schlimmsten Befürchtungen im Kopf, mit vollkommen entstellten Füßen wieder zurückzukommen, da kaum Zeit zum Einlaufen war. Bedenken, die sich letztendlich übrigens nicht bewahrheitet haben. Also ging es am Donnerstag mit dem Flugzeug in den Hohen Norden, nördlich des Polarkreises und nördlicher als ich bisher je gewesen bin. Hinein in ein Wochenende, das das Beste der vergangenen zwei Monate werden sollte und ich gründlichst von der oben beschriebenen Denkweise kurieren sollte.

Lappland 3

Lappland 1

Lappland 2

Lappland ist unglaublich einsam und nahezu unbevölkert. Von Kiruna, einer unfassbar hässlichen Bergbaustadt die keiner Erwähnung wert ist, und Abisko, unserem Wohnort für die nächsten Tage, sind es knapp 100 km. Auf der ganzen Strecke gibt es keine Kreuzung und der ganze Gegenverkehr beschränkte sich auf ein einzelnes Auto. Ein riesiger See umringt von hohen Bergen, Abisko als kleiner Stützpunkt für Wanderer und eine Bahnlinie auf der Tag und Nacht Eisenerz nach Norwegen transportiert bilden die einzigen Bestandteile der Landschaft. Ist man allein unterwegs, so mag dies sehr gespenstisch wirken, aber Dank der neun Mitreisenden war das nicht der Fall. Drei volle Tage standen uns in Abisko zur Verfügung, von denen wir zwei zum Wandern genutzt haben und darüber hinaus mit dem Auto nach Norwegen gefahren sind. Dafür, dass die wenigsten aus der Gruppe vorher Wander-Erfahrungen gesammelt hatten, haben wir und nicht schlecht geschlagen. Laut GPS waren wir an beiden Tagen je knapp 25 km unterwegs und das teilweise über Pfade, die den Namen eigentlich nicht verdienen.

Lappland 4

Lappland 5

Lappland 6

Lappland 7

Der Eindruck, den die Natur lässt sich schwer in Worte fassen und kann auch von den Bildern nur schlecht wiedergegeben werden. In Lappland herrscht ein sehr eigenartiges Licht, das zumindest meiner Kamera große Probleme bereitet hat. Durch den anbrechenden Herbst und die Lage im Polarkreis steht die Sonne sehr tief und taucht die Gegend in ein gleißendes Licht. Gegen Morgen und Abend ist dann alles rot angestrahlt, die Berge, die schneebedeckten Gipfel und alles spiegelt sich im Wasser des Sees - unglaublich beeindruckend. Am zweiten Tag haben wir dann die gemieteten Autos für einen ausgiebigen Trip nach Norwegen genutzt. Bereits nach 100 km in westlicher Richtung hatte sich nahezu alles geändert, was Lappland ausmacht: Die Gegend war plötzlich bevölkert, das Klima angenehmer und Laubbäume zogen sich die Berghänge hinauf. Das maritime Klima scheint sich hier bemerkbar zu machen, die riesigen Fjorde transportieren warmes Wasser an die Küste und die Gegend wird dadurch wesentlich attraktiver zum Leben als das karge und einsame Lappland.

Lappland 8

Lappland 9

Lappland 10

Lappland 11

Lappland 12

In der Nacht vom Donnerstag ist dann etwas geschehen, was zwar für diese Jahreszeit sehr selten ist, aber dennoch von allen Mitreisenden erhofft wurde: Das Nordlicht! Auch hier können die Bilder nur einen kleinen Eindruck von der eigentlichen Intensität wiedergeben. Unfassbar, wie eine simple Naturerscheinung die nur aus einem Licht am Himmel besteht, so beeindruckend wirken kann. Das grünliche Flackern am Himmel, dazu der in dieser Nacht sehr helle Mond, der Sternenhimmel, der durch die Einsamkeit voll zu Geltung kam, und die Spiegelung des Ganzen im See - ein wirklich unvergessliches Erlebnis um dass uns viele in Uppsala sehr beneidet haben.

Lappland 13

Lappland 14

Aurora Borealis - zu dieser Jahreszeit? Und in diesem Teil des Landes und noch dazu in ihrer Küche?? (Wer das erkennt, bekommt ein schwedisches Bier ausgegeben). Die Reise in den Norden Schwedens hat dem Auslandssemester wieder ein paar neue und unvergessliche Facetten hinzugefügt. Ich kenne jetzt eine weitere Seite des Landes, das eben nicht nur aus den angenehmen und relativ bevölkerten Gebieten im Süden besteht, sondern durchaus auch eine raue und urspüngliche Seite hat. Ich habe das Nordlicht gesehen und dass sicherlich für längere Zeit das letzte Mal; ein Erlebnis von dem ich wohl noch lange erzählen werde. Ich habe das Wandern für mich entdeckt, das unglaublich viel Spaß macht und die Gelegenheit bietet, ein Land von einer ganz anderen und intensiveren Seite zu entdecken. In jeder Hinsicht also ein Wochenende, das nur schwer zu überbieten ist und meine Reise- und Unternehmungslust nur noch gesteigert hat. Da es allen anderen Mitreisenden genauso geht, darf man gespannt sein, was die nächsten Wochen noch zu bieten haben werden.

Lappland 15



Sonntag, 26. September 2010
Kräftskiva und Recentiorsgasque
Wie im letzten Artikel schon mal angesprochen, die Nationen prägen das Studentenleben in Uppsala sehr stark und in einem Maße, das mit meinen Erfahrungen in Deutschland nicht vergleichbar ist. Nicht nur durch die Pubs und Clubs, die man als Student eigentlich ausschließlich besucht, weil alles andere viel zu teuer ist, sondern auch durch verschiedene Veranstaltungen während des Semesters. Teilweise sind diese ein Teil der schwedischen Kultur, teilweise ein Teil einer jahrhundertelangen Tradition an der Universität. Dazu zwei Beispiele aus den letzten Wochen.

Viel mehr als in Deutschland ist das Jahr in Schweden in genaue Abschnitte eingeteilt, in denen meist bestimmte Dinge gegessen werden. So zum Beispiel im August, wenn in eigentlich jeder schwedischen Familie Kräftskivas veranstaltet werden. Kräftor sind Flusskrebse, die man eigentlich das ganze Jahr über kaufen kann, die aber nur im August tonnenweise verkauft werden um auf derartigen Festen ihr Ende zu finden. Schweden treffen sich dann im Familien- oder Freundeskreis, setzen sich alberne Hüte auf, trinken Unmengen an snaps, essen dazu Flusskrebse und singen zwischendurch immer wieder Lieder. Auch so eine schwedische Eigenheit: Es wird nicht angestoßen ohne zu singen. Bei einem Barbecue im Sommer hat in einiger Entfernung eine schwedische Gruppe einen Geburtstag gefeiert und dabei so häufig gesungen, dass es schon fast an Ruhestörung grenzte (eine sehr deutsche Einschätzung, ich weiß). Das exzessive Singen ist also fester Bestandteil der schwedischen Kultur, was sich auch in den Nationen wiederfindet, dazu später mehr.

Wie viele Leser dieses Blogs vielleicht wissen, verfüge ich weder über eine schwedische Familie noch über einen allzu großen schwedischen Freundeskreis. Daher musste ich auf die bereits angesprochenen Nationen zurückgreifen um auch in den Genuss eines Kräftskiva zu kommen. Mit liebem Besuch aus Hannover war ich in der Gästrike-Hälsinge Nation, die als eine der letzen ihr Krebsessen veranstaltete. Wie eigentlich jede Veranstaltung so war auch diese sehr formell, mit Kleidungsvorgaben, einem festen Ablauf, vielen Reden zwischendurch und andauerndem Singen. Man sollte zu solchen Veranstaltungen nicht mit leerem Magen kommen; bevor überhaupt die Vorspeise angerührt werden durfte, wurden mindestens schon drei Lieder gesungen und entsprechend viele Schnäpse getrunken.

Kraeftskiva 1

Alle Lieder des Abends hatten, soweit ich das mit meinen noch rumpeligen Schwedischkenntnissen beurteilen kann, einen recht eingeschränkten Themenbereich: Krebsessen ist toll, trinken sowieso und alle, die nicht trinken und keine Krebse essen, müssen einsam abseits sitzen und keinen Spaß haben. Da ich sowohl das eine als auch das andere durchaus zu schätzen weiß, hatte ich durchaus Spaß bei der Veranstaltung und habe nach einigen Anlaufschwierigkeiten ganze Krebskolonien gegessen. Dass sich die ganz Veranstaltung im Kerzenlicht abspielte, war nicht unbedingt verkehrt. Flusskrebse sind weder Shrimps noch Krabben und haben Dinge unter ihrem Panzer, die nicht unbedingt appetitlich aussehen. Ich erspare mir da die Details.

Kraeftskiva 2

Kraeftskiva 3

Dies war also mein erstes Kräftskiva und leider schon das letzte für dieses Jahr. Auch auf die Gefahr hin, dass der Blogeintrag sehr lang wird doch noch ein paar Infos zu einer anderen Veranstaltung, die zu den zentralsten im Uppsalas Studentenleben gehört, das Recentiorsgasque. Ein Gasque ist ein formales Dinner mit Party im Anschluss, das nach genauen Regeln abläuft. Recentior bedeutet hier so viel wie "Neumitglied". Also ein Essen für die neuen Mitglieder der Nation auf dem viel snaps getrunken und wieder einmal häufig gesungen wird. Dem Essen ging ein Empfang im Hauptgebäude der Universität voraus, zu dem sich alle Nationen zur selben Zeit aufmachten. Die Stadt war also voll von Studenten, die sich in Gruppen den Hügel zur Universität hinaufquälten. Ein ziemlich eindrucksvolles Bild, zumal wieder Anzug/Kleid vorgeschrieben war.

Reccegasque 1

Reccegasque 2

Dort dann Reden des Kanzlers der Universität und verschiedener anderer Personen, die unangenehm deutlich gemacht haben, wie schlecht es noch um meine Schwedischkenntnisse bestellt ist. Zwischendurch immer wieder Musik eines Symphonieorchesters der Universität, außerdem trat ein Chor auf.

Reccegasque 3

Reccegasque 4

Danach war die gemeinsame Veranstaltung beendet und die verschiedenen Gruppen kehrten in ihre Häuser zurück um dort das Gasque zu feiern.

Reccegasque 6

Reccegasque 5

Reccegasque 7

Das ganze Essen, das immer wieder von Singen+Anstoßen unterbrochen wurde, Reden der leitenden Personen folgten, der Inspektor stellte sich vor. Das ist ein Professor der Universität, der ursprünglich dafür sorgen sollte, dass die Studenten sich gut verhielten und fleißig studierten; Aufgaben, die ihm heute natürlich nicht mehr zukommen. Nach einigen Stunden war das Gasque dann beendet, die Tische und Stühle wurden in Windeseile zur Seite geräumt und die Afterparty begann, zu der sich dann auch Studenten dazugesellten, die nicht am Reccegasque teilgenommen hatten.