Sonntag, 26. September 2010
Kräftskiva und Recentiorsgasque
Wie im letzten Artikel schon mal angesprochen, die Nationen prägen das Studentenleben in Uppsala sehr stark und in einem Maße, das mit meinen Erfahrungen in Deutschland nicht vergleichbar ist. Nicht nur durch die Pubs und Clubs, die man als Student eigentlich ausschließlich besucht, weil alles andere viel zu teuer ist, sondern auch durch verschiedene Veranstaltungen während des Semesters. Teilweise sind diese ein Teil der schwedischen Kultur, teilweise ein Teil einer jahrhundertelangen Tradition an der Universität. Dazu zwei Beispiele aus den letzten Wochen.

Viel mehr als in Deutschland ist das Jahr in Schweden in genaue Abschnitte eingeteilt, in denen meist bestimmte Dinge gegessen werden. So zum Beispiel im August, wenn in eigentlich jeder schwedischen Familie Kräftskivas veranstaltet werden. Kräftor sind Flusskrebse, die man eigentlich das ganze Jahr über kaufen kann, die aber nur im August tonnenweise verkauft werden um auf derartigen Festen ihr Ende zu finden. Schweden treffen sich dann im Familien- oder Freundeskreis, setzen sich alberne Hüte auf, trinken Unmengen an snaps, essen dazu Flusskrebse und singen zwischendurch immer wieder Lieder. Auch so eine schwedische Eigenheit: Es wird nicht angestoßen ohne zu singen. Bei einem Barbecue im Sommer hat in einiger Entfernung eine schwedische Gruppe einen Geburtstag gefeiert und dabei so häufig gesungen, dass es schon fast an Ruhestörung grenzte (eine sehr deutsche Einschätzung, ich weiß). Das exzessive Singen ist also fester Bestandteil der schwedischen Kultur, was sich auch in den Nationen wiederfindet, dazu später mehr.

Wie viele Leser dieses Blogs vielleicht wissen, verfüge ich weder über eine schwedische Familie noch über einen allzu großen schwedischen Freundeskreis. Daher musste ich auf die bereits angesprochenen Nationen zurückgreifen um auch in den Genuss eines Kräftskiva zu kommen. Mit liebem Besuch aus Hannover war ich in der Gästrike-Hälsinge Nation, die als eine der letzen ihr Krebsessen veranstaltete. Wie eigentlich jede Veranstaltung so war auch diese sehr formell, mit Kleidungsvorgaben, einem festen Ablauf, vielen Reden zwischendurch und andauerndem Singen. Man sollte zu solchen Veranstaltungen nicht mit leerem Magen kommen; bevor überhaupt die Vorspeise angerührt werden durfte, wurden mindestens schon drei Lieder gesungen und entsprechend viele Schnäpse getrunken.

Kraeftskiva 1

Alle Lieder des Abends hatten, soweit ich das mit meinen noch rumpeligen Schwedischkenntnissen beurteilen kann, einen recht eingeschränkten Themenbereich: Krebsessen ist toll, trinken sowieso und alle, die nicht trinken und keine Krebse essen, müssen einsam abseits sitzen und keinen Spaß haben. Da ich sowohl das eine als auch das andere durchaus zu schätzen weiß, hatte ich durchaus Spaß bei der Veranstaltung und habe nach einigen Anlaufschwierigkeiten ganze Krebskolonien gegessen. Dass sich die ganz Veranstaltung im Kerzenlicht abspielte, war nicht unbedingt verkehrt. Flusskrebse sind weder Shrimps noch Krabben und haben Dinge unter ihrem Panzer, die nicht unbedingt appetitlich aussehen. Ich erspare mir da die Details.

Kraeftskiva 2

Kraeftskiva 3

Dies war also mein erstes Kräftskiva und leider schon das letzte für dieses Jahr. Auch auf die Gefahr hin, dass der Blogeintrag sehr lang wird doch noch ein paar Infos zu einer anderen Veranstaltung, die zu den zentralsten im Uppsalas Studentenleben gehört, das Recentiorsgasque. Ein Gasque ist ein formales Dinner mit Party im Anschluss, das nach genauen Regeln abläuft. Recentior bedeutet hier so viel wie "Neumitglied". Also ein Essen für die neuen Mitglieder der Nation auf dem viel snaps getrunken und wieder einmal häufig gesungen wird. Dem Essen ging ein Empfang im Hauptgebäude der Universität voraus, zu dem sich alle Nationen zur selben Zeit aufmachten. Die Stadt war also voll von Studenten, die sich in Gruppen den Hügel zur Universität hinaufquälten. Ein ziemlich eindrucksvolles Bild, zumal wieder Anzug/Kleid vorgeschrieben war.

Reccegasque 1

Reccegasque 2

Dort dann Reden des Kanzlers der Universität und verschiedener anderer Personen, die unangenehm deutlich gemacht haben, wie schlecht es noch um meine Schwedischkenntnisse bestellt ist. Zwischendurch immer wieder Musik eines Symphonieorchesters der Universität, außerdem trat ein Chor auf.

Reccegasque 3

Reccegasque 4

Danach war die gemeinsame Veranstaltung beendet und die verschiedenen Gruppen kehrten in ihre Häuser zurück um dort das Gasque zu feiern.

Reccegasque 6

Reccegasque 5

Reccegasque 7

Das ganze Essen, das immer wieder von Singen+Anstoßen unterbrochen wurde, Reden der leitenden Personen folgten, der Inspektor stellte sich vor. Das ist ein Professor der Universität, der ursprünglich dafür sorgen sollte, dass die Studenten sich gut verhielten und fleißig studierten; Aufgaben, die ihm heute natürlich nicht mehr zukommen. Nach einigen Stunden war das Gasque dann beendet, die Tische und Stühle wurden in Windeseile zur Seite geräumt und die Afterparty begann, zu der sich dann auch Studenten dazugesellten, die nicht am Reccegasque teilgenommen hatten.