Ein Thema um das ich mich hier im Blog schon länger herumdrücke, weil es so schwierig zu fassen ist und breiten Raum für Missverständnisse und falsche Assoziationen bietet, sind die Studentennationen in Uppsala. So viel vielleicht vorweg: Wenngleich gewisse Ähnlichkeiten mit den deutschen Studentenverbindungen bestehen, hat beides dennoch nichts miteinander zu tun!
Es ist schwierig, genau zu erklären, was eine Nation ist, weil so viele Facetten zu beachten sind und es selbst in der schwedischen Universitätslandschaft nichts Vergleichbares gibt (außer Lund, aber die zählen nicht). Vielleicht beginne ich mal damit zu erklären, was die Nationen heute ausmacht: Jeder Student der Universität Uppsala
muss sich einer Nation anschließen, da diese den Semesterbeitrag einfordern und insgesamt Funktionen übernehmen, die in Deutschland das Studentenwerk ausfüllt. Jede der 13 Nationen besitzt ein eigenes Haus, das mehr oder weniger eindrucksvoll anzusehen ist. Die Nationshäuser bilden einen zentralen Bestandteil im Stadtbild Uppsalas, das generell stark von Universitätsgebäuden geprägt ist. Hier das Haus der "Norrlands Nation", der größten und mitgliederstärksten.
In den Häusern sind oft Pubs untergebracht, die von Studenten betrieben werden, Mittags günstiges Essen und Abends günstiges Bier anbieten. Die größeren Nationen haben regelmäßige
Klubbs, Partys die teilweise brechend voll mit Studenten sind und für die man häufig lange anstehen muss, um reinzukommen. Die Nationen haben den Vorteil, dass sie keine Mehrwertsteuer zahlen, weder für Einkäufe noch für Verkäufe an die Studenten, deswegen ist alles sehr günstig (für schwedische Verhältnisse).
Darüber hinaus werden verschiedene Aktivitäten angeboten. Jede Nation hat einen Sportverein, Fußballteams, die gegeneinander spielen, manche haben Tanzgruppen, Chöre etc. an denen man sich beteiligen. Ich selbst spiele dort Fußball und Volleyball. Für die ganze Sache gilt: Jeder kann sich beteiligen, muss aber nicht. Da aber alles Studenten in Uppsala Mitglied einer Nation sind, bilden diese einen festen Bestandteil im Studentenleben und prägen dieses ungemein - seit teilweise über 350 Jahren. Alle Nationen sind selbst verwaltet, jedes Semester werden aus dem Kreis der Mitglieder die zentralen Posten durch Wahl besetzt. Die Leute, die in Pub und Club arbeiten oder Mittags das Essen kochen sind ebenfalls Mitglieder der Nation. Jeder der möchte und die Fähigkeiten mitbringt, kann sich hier auf einen Job bewerben.
Das Wort "Nation" hat nicht die Bedeutung wie im Deutschen, sondern bezieht sich mehr auf Herkunft oder Ursprung der Mitglieder. Ursprünglich war es so, dass sich die Studenten in Schweden, die sich im 17. Jahrhundert nach Uppsala aufmachten um an dieser rennomiertesten Universität Skandinaviens zu studieren, sich der Nation anschlossen, die den Namen ihrer Landschafts trug. Kam man aus Norrland, schloss man sich der "Norrlands Nation" an, stand das Elternhaus in Södermanland, dann ging es folgerichtig zur "Södermanlands-Nerikes Nation". Insgesamt gibt es in Uppsala 13 dieser Nationen, die nach allen Landschaften Schwedens benannt sind. Heute spielt dies alles eigentlich keine Rolle mehr, jeder Student kann in die Nation eintreten, die das beste Angebot an Aktivitäten hat oder einfach den geringsten Mitgliedsbeitrag fordert. Ich bin der "Värmlands Nation" beigetreten, in der heutzutage wohl nur noch eine Minderheit der Mitglieder aus Värmland stammt.
Wenn man gewohnt ist, in Deutschland zu studieren, dann ist das ganze Nationsthema ziemlich ungewohnt und so geht es wohl auch jedem Studenten, der hier neu an der Universität ist. Aber diese Eigenheit reiht sich gut ein in das Klima, in dem man hier studiert und dem man seitens der Stadt und der Universität immer wieder ausgesetzt ist. Seit 1477 gibt es Studenten in Uppsala, die Stadt war zeitweise Residenzstadt, die Könige aus Vikingertagen sind hier ebenso beigesetzt wie Gustav Wasa, der erste König eines einheitlichen Schwedens. Wenn im Dezember die Nobelpreise verliehen werden, dann kommen einige Tage später alle Preisträger nach Uppsala und halten hier ihre Preisreden noch einmal. Man merkt der Stadt ihre Geschichte und ihre Bedeutung an, der Stolz auf die Tradition ist überall spürbar, gerade wenn es um die Abgrenzung zu Stockholm und der dortigen Universität geht. So war man in Uppsala entsetzt, als die Kronprinzessin vor einiger Zeit nicht in der örtlichen Kathedrale heiratete, sondern in Stockholm! Für diese Mentalität gibt es viele Beispiele und aus diesem Klima heraus müssen auch die Studentennationen gesehen und bewertet werden. Das Studentenleben bewegt sich hier (wenn man sich darauf einlässt) in viel tradtionsreicheren Bahnen, als das in Deutschlands oft der Fall ist. Die Värmlands Nation feiert dieses Jahr 350jähriges Bestehen, der Architekt des Nationshauses hat auch das Rathaus in Stockholm gebaut, in dem das Nobelpreisdinner gegeben wird. Der schwedische König ist Mitglied der Stockholms Nation, viele namhafte Wissenschaftler und Nobelpreisträger waren selbst Mitglieder in einer der Studentennationen Uppsalas. Das ist der Hintergrund, der hinter der ganzen Sache steht und man spürt dies sehr häufig.
Dies ist einer der Gründe, die das Auslandssemester hier in Uppsala so großartig und eindrucksvoll machen. Es ist in jeder Hinsicht voll von neuen Eindrücken, Erlebnissen und Erfahrungen. Starke Kontraste zum Studentenleben in Hannover, nicht immer besser aber anders und damit interessant. Ich werde hier im Blog weiterhin versuchen, das so gut es geht rüberzubringen, was ich hier erlebe.